Nora Gomringer
2020
Eva Nüßlein zeigt großformatige Bilder, deren Motive Träumen zum Thema entlehnt sein könnten. Vier verschiedenfarbige Pferde und ich zähle mir die apokalyptischen Reiter herbei, vor allem im Kontext dieser Schau. Die Pferde sind in Bewegung, etwas oder jemand treibt sie. Gleich indigenen Darstellungen von Träumen nehmen die Hauptangelegenheiten der Darstellung einen mittigen und umrahmten Platz ein. Eine Gedankenblase entsteht über einem angedeuteten Gebirge. Die vier Reiter fehlen und doch sind sie dabei, wo vier Pferde galoppieren – und statt den biblischen Farben schwarz, weiß, rot und fahl nach Dürer und Wiktor Wasnezow eine nur weitere Variante zuzugeben, ändert die Malerin die Erzählung und macht sie sich zu eigen. Auch in ihren Bildern gibt es Tarotartiges, das man sieht und auf Schicksal begründet ergründen möchte. Die von Schwertern durchstoßenen Stiefel, das Martyrium der Unbeweglichkeit, der Gewalterfahrung treiben einen um. Und einer schwebt. Oder eine. Das ist egal. Hier ist ein Mensch gerade noch in einem Hier und Jetzt, wirft einen Schatten – so der Beweis der Malerin, während sein Rumpf und Kopf längst in Licht getaucht sind, liegend. Wo Dyland Thomas vom ausgehenden Licht spricht, das Augenlicht und das Licht in den Augen der Menschen, geht hier das Licht einer Transzendenz auf, wird Sphäre, Fläche, viel mehr als Ort. An diesem - an eine fantastische und visuell grelle Illustration der 70er-Jahre erinnernden - Bildnis eines Schwebenden kommt man ohne einen Traum nicht vorbei. So – dem Tode nach – liegen wir im Schlaf, der ja, wie wir wissen, unter anderem des Todes Bruder ist. Der allerdings auch eine Schwester hat, die der griechischen Mythologie nach, den gewaltsamen Tod symbolisiert. Tod, Schlaf und Mord – man möchte die drei Geschwister nicht unter einem Dach wissen und weiß doch, dass mindestens zwei immer nah beieinander sind. Die Sphäre des Traumes, die der Tod in uns Lebenden bewohnt, als Schrecken und Faszinosum, arbeitet die Malerin auch mit einer dreist anmutenden, entschlossenen Leichtigkeit heraus, bleiben doch alle Motive plakativ und anschaulich zugewandt, ist die Farbigkeit Ausdruck von Sicherheit, nicht Spekulation. Ein Ecce ist darin, ein: Sieh her! […]
Josh Widera
2020
Eva Nüßlein malt von der Adoleszenz und Märchen, von Aufgeschnapptem und Kindheitserinnerungen, von der reizvollen, manchmal angsteinflößenden Erfahrung des eigenen Mündigwerdens, von Popkultur und Romantik. Damit behandelt sie auch Gemeinsamkeit und Teilnahme, knüpft die Betrachtenden ein in ein Erinnern von geteilten Momenten, von Gutenachtgeschichten am Kneipentresen. Nüßleins Arbeiten strahlen Unmittelbarkeit und Aktualität aus, bleiben aber fiktiv. Wir betrachten Spuren aus der Lebenswelt der Künstlerin, und doch werden wir fantasievoll auch in unsere eigene gesogen, im Schlepptau der Bilder.
Eva Nüßlein paints about adolescence and fairy tales, overheard stories and childhood memories, pop culture and romance, and about the delightful, sometimes frightening experience of coming of age. In doing so, she also addresses commonality and participation, engaging the viewer in a remembrance of shared moments, of bedtime stories at the dive bar. Nüßlein’s work radiates immediacy and nowness, but remains fictional. We look at clues from the artist’s life, and yet we also become fantastically entangled with our own, roped in by the paintings.
Ronja Paffrath
2018
Eva Nüßleins Malerei ist leicht zu beeindrucken. Empfänglich für den nicht enden wollenden Informationsfluss aus allen Kanälen lässt sie sich von dem großen, weiten Zeitgeschehen erzählen. Mit Acrylfarben bringt sie dann degenerierte Wesen zur Welt, die miteinander oder mit dem Betrachter Szenen aus ihrer Erinnerung noch einmal nachspielen. So hüpft Eva Nüßlein neben diesem Zeitgeschehen her und quatscht ihm unverschämt dazwischen. Sie bezieht Stellung auch da, wo sie den Überblick verliert und beweist dabei, dass die kleine Schwester eine starke Frauenfigur mit Zukunft ist.